7. bis 10. März 2024

2019

12. Nonfiktionale: ECHT WAHR?!

Unter dem Motto echt wahr?! rückte die Nonfiktionale 2019 das Verhältnis von Dokumentarfilm und Wahrheit in den Fokus. Worin besteht der Wahrheitsgehalt in dokumentarischen Filmen, was kennzeichnet ihn, und wie wird er hergestellt?

Die Vorstellung, dass Dokumentarfilm eine objektive Wirklichkeit abbildet, ist eine Illusion. Dennoch geht es bei dem Genre immer um die Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und, in der Regel, um den Versuch einer wahrhaftigen Erzählung. In der Umsetzung führt der Weg in unterschiedliche Richtungen. Wie viel erzählerische bzw. gestalterische Freiheit ist erlaubt, wie viel ist notwendig, um sich der Wahrheit zu nähern? Wie geht man filmisch damit um, wenn man mit gegenläufigen Wahrheiten oder Lügen konfrontiert wird? Wie wird die Authentizität bzw. Glaubwürdigkeit dokumentarischer Erzählungen begründet? Und wie kann sie unterlaufen werden?

In diesem Jahr stellten wir Filme zur Diskussion, die den Bogen spannen vom investigativen Zugang über die Einordnung konträrer Positionen bis hin zu mit der Fiktion flirtenden dokumentarischen Grenzgängen.

 


 

Preisträgerfilme 2019

Die Jury bestehenden aus Mechthild Barth, Thomas Haemmerli und Mark Stoehr vergab zwei Preise: zum einen den Nonfiktionale-Preis der Stadt Bad Aibling und zum anderen den AVID-Schnittpreis. Darüber hinaus vergab die Schülerjury des Gymnasium Bad Aibling bestehend aus Sarah Schulz, Marinus Halbig und Stephan Helbing den Bürgerpreis.

Nonfiktionale-Preis der Stadt Bad Aibling

Den mit 2.000,- Euro dotierten Nonfiktionale-Preis der Stadt Bad Aibling erhielt Andrei Schwartz für seinen Film

Himmelverbot

Begründung der Jury:
Regisseur Andrei Schwarz befreundet sich mit Gavriel, einem Mörder, den er immer wieder im Gefängnis in Bukarest dreht. Gavriel ist sympathisch, und man hofft mit ihm auf seine Entlassung. Er hat alles, was ein Hochstapler braucht: Geschichten, Überzeugungskraft und einen eigentümlichen Charme, dem man sich auch dann nicht entzieht, als der Mann als kleiner Lügner und Lump entlarvt ist. Andrei Schwartz hat es geschafft, den Geschichten, die Gavriel um sich selbst kreiert, nicht den Vorrang zu geben vor dem, was an Gavriel wahrhaftig ist. Die Frage “echt wahr?” wird hier in ihrer ganzen Konsequenz aufgefächert: Es ist nicht immer vorrangig der Wahrheitsgehalt, der einem dazu verhilft, die Wahrheit zu spüren.

AVID Schnittpreis

Den AVID Schnittpreis in Form einer Software / Media Composer erhielt Sven Heußner für den Film

Wenn man sie bedauert, können sie schlecht sterben

von Friederike Güssefeld.

Begründung der Jury:
In strengen Tableaus lässt der Film die Bewohner eines brandenburgischen Dorfes erzählen. Von den Katastrophen, den eigenen und den historischen, und vom Niedergang, der Entvölkerung und dem Verschwinden von Gemeinschaft. Meisterhaft zerlegt der Schnitt die Interviews, und komponiert daraus Geschichten und einen Wurf aus einem Guss. Was auf den ersten Blick skurril wirkt, gerät im Nachhall zur allgemeingültigen Erzählung menschlicher Fährnisse.

Lobende Erwähnung

Eine lobende Erwähnung sprach die Jury dem Film

Souvenir

von André Siegers aus.

Begründung der Jury:
Ein Mann überlässt dem Regisseur 400 Videokassetten. Selbstgedrehte Aufnahmen von seinen Reisen um die Welt, die er im Auftrag deutscher Stiftungen unternommen hat. Es zeigt einen Menschen zwischen Eitelkeit und Einsamkeit, getrieben von Ironie, starkem politischem Sendungsbewusstsein und der Sehnsucht, einen persönlichen Abdruck zu hinterlassen. Regisseur André Siegers und seine Editor*innen David Siegers und Ute Adamczewski selektieren und sortieren das überbordende Material und setzen es durch eine fiktive Rahmengeschichte unter Strom. Sie behaupten am Anfang, der Protagonist sei auf einer Kreuzfahrt im Eis verschollen. Dieser Trick zieht die Zuschauer in die Geschichte, und wird am Ende entlarvt durch einen Eisbären am Südpol.In der „Unwahrheit“ der Gesamtkonstruktion kommt die “Wahrheit” der Figur zum Vorschein – ihr flackerndes Changieren zwischen Suchen und Finden, Inszenierung und authentischem Ausdruck.

Bürgerpreis

Der von Aiblinger Bürgern gestiftete Bürgerpreis in Höhe von 750,- Euro ging an

ja ja, nein nein

von Peter Volkart und Ulrich Schaffner.

Begründung der Jury:
„ja ja, nein nein“ von Peter Volkart und Ulrich Schaffner schlägt eine spannende Brücke zwischen dem kulturpolitischen Engagement eines Erbsenfabrikanten und dem Leben eines freischaffenden Aktionskünstlers im Schweizer Kanton Aargau. Der Film beginnt mit einer seriös erscheinenden Erzählung, um nahtlos überzugehen in fiktive Welten. Fasziniert hat uns die Verknüpfung der beiden Ebenen. Geschickt nutzen die beiden Regisseure Archivmaterial und schenken der Absurdität eine Bühne. Ebenso hat uns der Rhythmus der Erzählung überzeugt, der den Zuschauer tief in die Geschichte eintauchen lässt. Außerdem finden sich in dem Film sowohl das Fragezeichen als auch das Ausrufezeichen des diesjährigen Nonfiktionale-Mottos wieder. Echt wahr!

 


 

Bergwerk 2019

Bereits zum dritten Mal fand die Kooperation der Nonfiktionale mit der Jugendinitiative Mangfalltal statt. Getreu unserem Motto „echt wahr?!“ präsentierten wir im Bergwerk die dokumentarische Webserie „True Stories“:

True Stories

D 2016 - 2018, Lea Becker, Rodolfo Silveira
Das wahre Leben schreibt die interessantesten Geschichten. In der dokumentarischen Webserie „True Stories“ erzählen die Protagonisten in kurzen Episoden von besonderen Erlebnissen. Quer durch die Generationen und Gesellschaftsschichten kommen die unterschiedlichsten Personen zu Wort und lassen uns teilhaben an einem wichtigen Moment in ihrem Leben.

 

 


 

Junge Doks 2019

Projekt-Seminare Dokumentarfilm

In diesem Jahr wurden gleich zwei Filmprojekte mit Schülerinnen und Schülern der benachbarten Gymnasien realisiert:

Schülerfilm Bad Aibling:

Aus dem Leben eines wahren Großvaters 

Facetten bewegten Lebens. Der Film macht sich auf die Suche nach dem, was junge Menschen an ihrem Opa interessiert. Die Jugendlichen erzählen, was sie von ihrem Großvater wissen: Schulerlebnisse, berufliche Entwicklungen, traumatische Kriegserfahrungen und besonders Haltungen gegenüber der Welt. Kaleidoskopartig formt sich - durch eine radikale Schnitttechnik - aus den verschiedenen Lebensläufen der eine, der „wahre“ Großvater. Und mit der Erinnerung kristallisiert sich heraus, was von den Opas bleibt und überlebt.

Beteiligte Schüler: Jonathan Dietel, Dominik Englhauser, Stephan Helbing, Finn Herold, Fiona Krech, Clemens Müller, Andreas Schiffmann, Anna Schwerdtel, Florian Sommer, Sehra Sulcova, Beyza Türker, Maleen Varbanov, Lena Winzenburg, Jakob Zweckstetter
 

Schülerfilm Bruckmühl:

Nonfiktionale - echt wahr?!

Unter diesem Motto findet im Frühling 2019 die Nonfiktionale, inzwischen bereits zum 12. Mal, statt. Doch wie entstand die Idee mitten in der oberbayerischen Voralpenidylle ein Dokumentarfilmfestival zu veranstalten? Wie gehen die Organisatoren dabei überhaupt vor? Und wie schaffen sie es, auch junge Leute für Dokumentarfilme zu interessieren? In einer ersten Annäherung an das Thema Dokumentarfilm, der im kommenden Jahr ein eigener filmischer Beitrag folgen wird, wagen Schüler des Gymnasiums Bruckmühl einen Blick hinter die Kulissen der Nonfiktionale.

Beteiligte Schüler: Noah An der Lan, Alexander Basan, Jessica Casdorff, Elias Hoika, Hugo Körber, Korbinian Kriener, Sarah Kuchlmeier, Mika Müller, Tobias Radzey, Nicolas Schraml, David Spänkuch, Sandra Stadler, Sascha Stieben, Laura Würmüller

Kinderprogramm

Am Freitag wurde eine Schülervorstellung für eine Grundschulklasse gezeigt. In Anwesenheit der Regisseurin Mieko Azuma wurde der Film "Warum ich hier bin" von Mieko Azuma und Susanne Mi-Son Quester vorgeführt.

Am Samstag und Sonntag wurden zwei Kurzfilmblöcke speziell für Kinder im Grundschulalter zusammengestellt und mit dem jungen Publikum besprochen.

Jugendprogramm

Am Vormittag vor Eröffnung des Festivals wurde bei einer Schulvorstellung der Film "Borderland Blues" von Gudrun Gruber gezeigt und im Anschluss mit der Regisseurin besprochen.  

Und auch in diesem Jahr fand der Filmkritik-Workshop unter der Leitung von Tamara Danicic statt. Die dabei entstandenen Besprechungen des diesjährigen Programms wurden im Festivalbüro ausgehängt und zum Teil im Mangfallboten veröffentlicht.

 


 

Impressionen 2019

Fotos © Max Kandler